Kalpesh Lathigra wurde 1971 in Forest Gate im Osten Londons geboren und wuchs dort auf. Seine Familie wanderte vor seiner Geburt über drei Generationen von Junagadh, Indien, über Kenia und Sansibar nach England aus. Lathigra studierte Fotojournalismus am London College of Printing und arbeitete in den frühen 2000er Jahren als Fotojournalist für internationale Medien. Im Jahr 2000 erhielt er den 1. Preis des World Press Photo Awards in der Kategorie Kunst. 2003 begann er ein Projekt zur Dokumentation des Lebens von Witwen in Indien, für das er das W. Eugene Smith Fellowship und das Churchill Fellowship erhielt.

Lathigra beschäftigt sich in seinem Werk mit den Themen Identität, Erinnerung und soziokultureller Erzählung. Seine konzeptuelle Praxis umfasst eine Vielfalt atmosphärischer Motive, in denen Licht und Farbe eine komplexe, mehrdeutige Realität schaffen. Abstrakte und narrative Bildelemente laden die Betrachter:innen dazu ein, die Bedeutung der Bilder zu erschließen.

Seine erste Publikation Lost in the Wilderness ist eine tiefgreifende fotografische Untersuchung des Oglala Sioux und des Pine Ridge Reservats und erschien 2015. Diese Arbeit wurde von Sean O'Hagan im Guardian als eines der Fotobücher des Jahres hervorgehoben. Die Fotosammlung beleuchtet das Erbe des Kolonialismus und die geteilten Erfahrungen der Gemeinschaft sowie des Künstlers selbst. Sie kehrt zum Schauplatz des Massakers von Wounded Knee zurück, bei dem 1890 fast dreihundert Lakota von der US-Armee getötet wurden. Das Werk bewegt sich zwischen intimen und subtil symbolischen Darstellungen, indem es die harte Realität des Lebens in den Reservaten einfängt – das flache, karge Land, die tristen Räume, die gezeichneten Gesichter – und enthält Momente dunkler Ironie, was es zu einer eindringlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte und ihren fortwährenden Auswirkungen macht.

Der kreative Austausch und die Begegnung mit Menschen und Orten in Mumbai bilden den zentralen Leitgedanken der Serie Mémoire Temporelle. Diese Serie, die 2022 veröffentlicht wurde, reflektiert Lathigras reale und vermeintliche Erinnerungen an Bombay, wobei seine südasiatische Abstammung die Grundlage für das Werk bildet. Er erforscht dabei seine Nostalgie und die melancholische Sehnsucht nach dem Konzept von Heimat sowie die Lebensrealität einer gefühlten Unzugehörigkeit, sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Indien, ohne eine definitive Auflösung zu suchen.

Neben seiner künstlerischen Praxis ist Lathigra als Senior Lecturer in Fotografie am London College of Communication (UAL) sowie an der Southbank University und der Syracuse University tätig.
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